Apotheker:innen, falsche Impfzeugnisse und die Schweigepflicht. Ein Dilemma in Zeiten von Corona
Hamburg/ Berlin, 27. Dezember 2021. Gefälschte Impfausweise sind ein Ärgernis für die Maßnahmen gegen die Pandemie. Diejenigen, die sie gebrauchen, nehmen das Recht für sich in Anspruch, sich nicht impfen zu lassen; zugleich wollen sie sich mit gefälschten Dokumenten die möglichst ungehinderte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erhalten und gefährden damit andere - im öffentlichen Nahverkehr, im Einzelhandel, in Clubs oder in Restaurants.
Ein solches Verhalten - der Gebrauch falscher Impfpässe - steht nun seit kurzem unter Strafe und bringt zugleich diejenigen in ein Dilemma, die von Berufs wegen mit solchen Dokumenten befasst sind: Apothekerinnen und Apotheker. Sie sind es, denen die gelben Impfausweise als Grundlage für das Einlesen und die Digitalisierung der COVID-19 Impfbescheinigung vorgelegt werden und sie sind es, die helfen können, die Nutzung gefälschter Dokumente zu verhindern. Sie sind es aber auch, die in Bedrängnis kommen. Denn zum einen können sie sich strafbar machen, wenn sie ein falsches Impfzertifikat ausstellen; zum anderen aber auch, wenn sie die Polizei rufen.
Denn wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, offenbart, das ihm als Apotheker anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist, wird nach § 203 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft - einmal abgesehen davon, dass ein solches Fehlverhalten auch berufsrechtliche Konsequenzen haben kann.
Aus dem Bundesgesundheitsministerium ergehen Aufforderungen, gefälschte Dokumente zu melden, das Bundesjustizministerium verweist auf die Strafverfolgungsbehörden, die Berufsverbände der Apothekerinnen und Apotheker warnen vor den strafrechtlichen Gefahren, Generalstaatsanwaltschaften wagen es nicht, sich endgültig und verbindlich festzulegen und auch der Hamburger Rechtsanwalt Nikolai Klute aus der Kanzlei RKA Rechtsanwälte mag nicht völlig ausschließen, dass ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht auf die Anklagebank führt. In einem Interview mit dem ZDF hat er auf diese Gefahren hingewiesen.
Der juristische Ausweg kann über § 34 StGB führen. Demnach handelt nicht rechtswidrig, wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt.
“Mit Blick auf den sogenannten rechtfertigenden Notstand erscheint das Verhalten von Apothekerinnen und Apothekern, die verdächtige Impfausweise den Behörden melden, in einer anschwellenden pandemischen Lage gerechtfertigt”, erklärt Rechtsanwalt Nikolai Klute, “freilich wäre es besser gewesen, wenn der Gesetzgeber ein bisschen weiter gedacht und eine Meldepflicht gesetzlich normiert und die Schweigepflicht an dieser Stelle ausgenommen hätte.”
Die Restriktionen und Beschränkungen im öffentlichen Leben erfolgen aus der Erkenntnis heraus, dass sich Ungeimpfte leichter infizieren, im Falle der Infektion höhere Viruslasten in sich tragen, das Virus leichter verbreiten und dies in einem Umfeld, in dem sich all diejenigen, die sich an Regeln halten, zumindest etwas in Sicherheit wiegen.
“Der Schutz der Bevölkerung ist insoweit ein hohes Rechtsgut, das zumindest in einer pandemischen Welle das Handeln der Apothekerinnen und Apotheker gerechtfertigt erscheinen und somit auch die Strafbarkeit wegen eines Verstoßes gegen die Schweigepflicht entfallen lassen kann,” erklärt Rechtsanwalt Klute.
Nikolai Klute verweist auf einen noch sicheren Weg: “Das Beste wäre freilich, wenn sich die Apothekerinnen und Apotheker von vornherein eine Erklärung geben lassen, nach der die Kunden und Kundinnen einverstanden sind, dass Impfunterlagen den zuständigen Behörden übergeben werden dürfen, wenn es Anhaltspunkte für Fälschungen gibt. Denn die Strafbarkeit entfällt sofort, wenn eine solche Einverständniserklärung abgegeben wird.”
Würden dies nun alle verlangen, wären auch Ausweichbewegungen zu anderen Apotheken nicht mehr erfolgversprechend.
RKA Rechtsanwälte ist eine u.a. auf dem Gebiet des Gewerblichen Rechtsschutzes bundesweit tätige Anwaltskanzlei mit Standorten in Hamburg und Berlin. Zum Mandantenstamm der Kanzlei gehören auch Apotheken, zu den Tätigkeitsfeldern Heilmittelwerberecht, Medizinprodukterecht und Fragen zum Standesrecht der Heilberufe. (Apothekenrecht)